Wo träfe das “Jenseits des…” besser zu, als bei den auf Corvos Sublabel Global Pop First Wave von Holger Lund kompilierten Reihen “Saz Beat” (mit westlich angepischertem Pop von Soft Folk über Hard Rock und von Müezzin-Psychedelik bis Disko-Funk in der Türkei der 60er & 70er) und “The Trip (Psychedelic Music from the Hippie Trail)”, auf dessen Routen von Italien in die Türkei und weiter nach Nepal mehr Bizarrerien aufschnappt werden als einst von Marco Polo? Aber wie steht es mit dem Horizont daheim? Reidemeister-Bewegungen ist ein nach dem Mathematiker Kurt Reidemeister benannter Begriff aus der Knotentheorie, und Borromäische Ringe nennt man die spezielle Verschlingung dreier Ringe, mit der dann Jacques Lacan, als ein Modell für die Struktur des menschlichen Begehrens, seine Sinthom-Theorie schlang aus dem Realen, Imaginären, Symbolischen und eben dem Sinthom, als dem Element, das den (oder die) Knoten überhaupt erst zusammenhält. Haupt-Reidemeister ist Robin Hayward an der mikrotonalen Tuba, so dass auch eine weitere Bedeutung von Reidemeister mitschwingt, als eine veraltete Bezeichnung für im Metallgewerbe Tätige. Mit Christopher Williams am Kontrabass, selber ein Spieleerfinder (etwa “Arcanum 17” für Reidemeister Move) und überhaupt Wayfarer on the Body-Mind Continuum, der in Berlin die Neue-Musik-Reihen Kontraklang und Certain Sundays mitorganisiert, spielt er hier ein Spiel nach von ihm entworfenen Regeln. Es ist ein Spiel, das in seinem harmonischen Rahmen keinen Gewinner sucht, sondern nach Möglichkeiten und Alternativen. Mich erinnert es stark an “Travel Stain”, Haywards Tanz (zusammen mit dem Gitarristen Seth Josel) um eine graphische Partitur aus hexagonalen Bienenwaben. Auch klanglich ist es wieder eine Folge dröhnminimalistischer Umbra-Klänge. Bogenstriche am dunkelsten Ende des Kontrabassregisters und brummig getutete Haltetöne steigen in Halb- und Ganztonschritten treppauf, treppab. Aus der steigenden und sinkenden Tonhöhe und der unterschiedlichen Länge monotoner, in sich ruhender Klänge entsteht eine “Litany for the Whale”, eine ‘Melancholie des Widerstands’, ein Nebelhornkonzert, deren Agenten, wenn nicht am Begehren, so doch am Kurs Richtung Undsoweiter festhalten. Never mind the icebergs, never mind the Sonnenfinsternis.
Review: “REIDEMEISTER MOVE plays BORROMEAN RINGS” in Bad Alchemy Magazine
Wo träfe das “Jenseits des…” besser zu, als bei den auf Corvos Sublabel Global Pop First Wave von Holger Lund kompilierten Reihen “Saz Beat” (mit westlich angepischertem Pop von Soft Folk über Hard Rock und von Müezzin-Psychedelik bis Disko-Funk in der Türkei der 60er & 70er) und “The Trip (Psychedelic Music from the Hippie Trail)”, auf dessen Routen von Italien in die Türkei und weiter nach Nepal mehr Bizarrerien aufschnappt werden als einst von Marco Polo? Aber wie steht es mit dem Horizont daheim? Reidemeister-Bewegungen ist ein nach dem Mathematiker Kurt Reidemeister benannter Begriff aus der Knotentheorie, und Borromäische Ringe nennt man die spezielle Verschlingung dreier Ringe, mit der dann Jacques Lacan, als ein Modell für die Struktur des menschlichen Begehrens, seine Sinthom-Theorie schlang aus dem Realen, Imaginären, Symbolischen und eben dem Sinthom, als dem Element, das den (oder die) Knoten überhaupt erst zusammenhält. Haupt-Reidemeister ist Robin Hayward an der mikrotonalen Tuba, so dass auch eine weitere Bedeutung von Reidemeister mitschwingt, als eine veraltete Bezeichnung für im Metallgewerbe Tätige. Mit Christopher Williams am Kontrabass, selber ein Spieleerfinder (etwa “Arcanum 17” für Reidemeister Move) und überhaupt Wayfarer on the Body-Mind Continuum, der in Berlin die Neue-Musik-Reihen Kontraklang und Certain Sundays mitorganisiert, spielt er hier ein Spiel nach von ihm entworfenen Regeln. Es ist ein Spiel, das in seinem harmonischen Rahmen keinen Gewinner sucht, sondern nach Möglichkeiten und Alternativen. Mich erinnert es stark an “Travel Stain”, Haywards Tanz (zusammen mit dem Gitarristen Seth Josel) um eine graphische Partitur aus hexagonalen Bienenwaben. Auch klanglich ist es wieder eine Folge dröhnminimalistischer Umbra-Klänge. Bogenstriche am dunkelsten Ende des Kontrabassregisters und brummig getutete Haltetöne steigen in Halb- und Ganztonschritten treppauf, treppab. Aus der steigenden und sinkenden Tonhöhe und der unterschiedlichen Länge monotoner, in sich ruhender Klänge entsteht eine “Litany for the Whale”, eine ‘Melancholie des Widerstands’, ein Nebelhornkonzert, deren Agenten, wenn nicht am Begehren, so doch am Kurs Richtung Undsoweiter festhalten. Never mind the icebergs, never mind the Sonnenfinsternis.